OVG-Urteil zu den illegalen Rückmeldegebühren an Brandenburger Hochschulen – Ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen

Potsdam/Berlin: Mit dem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg zu den Rückmeldegebühren vom 21. Mai 2021 haben sich die Landesregierung(en) mit ihrer perfiden Strategie vermeintlich durchgesetzt, so lange zu prozessieren bis die rechtmäßigen Ansprüche irgendwann verjährt sind. Zumindest auf der Ebene der Berufungsinstanz. Niemand – auch die Landesregierung nicht – bezweifelt, dass die Gebühren verfassungswidrig waren. Zurückzahlen will das Land sie aber dennoch nicht. Mit teuren Anwaltsbüros wurden haarsträubende Begründungen zu einer angeblichen Verjährung vorgebracht, die das OVG nun übernommen hat.

Hierzu Jonathan Wiegers, Sprecher der Brandenburgischen Studierendenvertretung (BRANDSTUVE): „Berlin hat gezeigt wie es bessergeht, dort wurden die Gebühren direkt und unbürokratisch bereits vor vielen Jahren zurückerstattet. Das Land Brandenburg zettelte erneut einen Rechtsstreit an, diesmal um die Verjährung. Das Verfahren dauert bereits unglaubliche 21 Jahre. Die (ehemaligen) Landesregierungen hat damit das Vertrauen in den Rechtsstaat nachhaltig geschwächt. Dies ist inakzeptabel und ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen und ein Armutszeugnis der SPD-Geführten Wissenschaftspolitik im Land Brandenburg! Gegen die Entscheidung des OVG werden nun weitere Rechtsmittel eingelegt.“

Zur Entscheidung und den Folgen im Einzelnen: Das OVG hat die Urteile des Verwaltungsgerichtes Potsdam aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Bereits in der Verhandlung hatte der verhandlungsführende Richter (ohne juristische Herleitung) kurzerhand erklärt, dass sich der ehemalige Rektor der Uni Potsdam Prof. Loschelder „geirrt“ hätte. Prof. Loschelder war immerhin Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht (insbesondere Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht). Öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche fielen damit genau in seinen wissenschaftlichen Expertenbereich. Dieser hatte für den Senat (nach zusätzlicher Abstimmung mit dem Justitiariat der Uni) in einem Brief an die Studierendevertreter*innen im Jahr 2004 mitgeteilt, dass keine Verjährung droht – womit die Studierenden von Massenklagen abgehalten werden sollten. Er hatte ausdrücklich erklärt, dass der Rückzahlungsanspruch erst entstehen kann, wenn der Rechtsgrund für die Zahlung wegfällt, also die gesetzliche Regelung dazu für verfassungswidrig erklärt wurde. Erst im Jahr 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht § 30 Abs. 1a BbgHG für nichtig erklärt, weshalb die Verjährung nicht schon früher beginnen konnte. Demgegenüber möchte das OVG ernsthaft der Meinung sein, die Erstattungsprüche seien bereits im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Zahlung entstanden. Wir sind nun sehr auf die schriftliche Urteilsbegründung gespannt. Das OVG ist beim BVerfG für die kreative Auslegung von Verjährungsregeln zulasten der Bürger*innen bereits bekannt (siehe Altanschließergebührenproblematik).

Das OVG hat zudem entschieden, die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zuzulassen, obwohl die Revision nach dem Gesetz zuzulassen ist, wenn sie grundsätzliche Bedeutung hat, was nach unserer Auffassung schon wegen der jetzigen massenhaften Klagen der Fall ist.

Auch das Verwaltungsgericht Potsdam hatte die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Wir gehen davon aus, dass die Musterklägerin oder der Musterkläger nun einen „Antrag auf Zulassung der Revision“ stellen. Sollte dieser Antrag abgelehnt werden, bliebe nur eine weitere Verfassungsbeschwerde. Solange die beiden Musterklagen noch nicht endgültig angeschlossen sind, dürfte sich auch für die anderen Betroffenen der Massenklagen nichts ändern.